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Animierte Plan-Spiele im Kunstraum

Scheinbar unbeeinflußt von gegenwärtigen Kunstrecherchen konzipiert und realisiert der junge Roman Klug eine Do-it-yourself-Installation im Publikationsmedium Zeitschrift. Dem stilisierten Straßennetz einer nächtlichen Stadt sind Ausschneidebogen angefügt, die, vom Betrachter und Bastler bearbeitet, zu wandschirmartigen Architekturelementen gefaltet werden können. Im Durchschnitt jede zweite Fläche des räumlichen Gebildes trägt vorn und hinten das Foto einer aufgelassenen Tankstelle. Es kann Hand angelegt werden, um einen beliebig arrangierten Raumprospekt zu gestalten.
Eine auf den ersten Blick leicht durchschaubare Situation erweist sich bald als ein absichtlich verharmlostes Paradigma für einen möglichen Gebrauch von Kunst unter dem Ansatz gegenwärtiger Koordinatensysteme. Was als spielerisches Instrumentarium ins Auge sticht, führt über den Reproduktionsstatus als auch über das unmittelbare Handanlegen zu einer Auseinandersetzung über räumliche und kulturelle Bedingungen. Die dafür gewählte mediale Form spiegelt den Status einer immer stärker ins Zentrum rückenden "zweiten Realitätsebene wider. Zur Verwendung kommen Bilder aus einem umfangreichen Foto-Archiv, dessen Thema außer Betrieb gesetzte Tankstellen, Energiezentren für die Mobilität im Straßenverkehr, sind. Durch die verloren gegangene Funktion erscheinen die Gebäude als bizarre Gebilde, um die das geschäftliche und private Nomadentum längst einen Umweg macht. Aber auch verschiedene Nachnutzungen - als Warenlager, Bushaltestelle oder stabile Träger von heiterem Blumenschmuck - können über teilweise vorhandene architektonische Qualitäten nicht hinwegtäuschen. Dieses spezielle Archiv stellt die Frage nach der Funktion über den konkreten Bildinhalt der funktionslosen Architektur hinaus. Wie verändert sich die kulturelle Bedeutung. wie das ästhetische Erscheinungsbild, wenn die zweckdienlichen Accessoires fehlen?
In den siebziger Jahren haben Bernd und Hilla Becher mit der Kamera in ihren unendlichen Serien aufgelassener Industrieanlagen eine neue Form von Kulturgeschichte geschrieben.



Mehr als 20 Jahne später nähert sich Roman Klug einem möglicherweise vergleichbaren Thema in segmenthafter und spielerischer Form an. Die deutlich veränderte inhaltliche und Darstellungsebene ist unter anderem dadurch charakterisiert, daß den Räumen und Architekturobjekten, wenn auch nicht obektiv relational, so doch in der Erscheinungsform klar und deutlich auf der nun eingeführten Betrachtungsebene "dritter Ordnung", ihre angemessene Maßstäblichkeit entzogen wird. Freilich halten weder die klassischen Dokumentationsserien der Bechers noch die ihrer zahlreichen Schüler - beispielhaft für die fotografischen Bilder insgesamt - den Realitätsmaßstab der Bildmotive auch nur annähernd ein; dennoch sind diese auf der Reproduktionsebene in ihrer tatsächlichen Dimension nachvollziehbar. Klug bricht die Dimensionen vorsätzlich. Die dokumentierten Objekte scheinen ihren Realitätsbezug vollständig einzubüßen: Auf diese Weise können sie als Projektionsschirme auf einem nächtlichen Straßenareal verwendet werden. Sie figurieren dabei nicht als Dokumente, sondern als Spielsteine einer eingefrorenen Mobilität. Plötzlich steht ihr Wirklichkeitsgrad auf der Skala von einfachen, ja archaischen Animationen. Diese beziehen ihre Gestalt aber aus dem kulturellen Fundus und der Umwertung von einer funktionsbestimmten in eine funktionslose Ästhetik, nicht aus dem binären Code der Rechner, auch wenn ein Systemvergleich nicht auszuschließen ist.
Werner Fenz